Wie läuft der Verschreibungsprozess von Cannabis ab?

Seit 2017 haben Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen die Möglichkeit, sich medizinisches Cannabis vom Arzt verschreiben zu lassen. Obwohl damit eine wünschenswerte Liberalisierung der Haltung gegenüber Cannabis im medizinischen Sektor stattgefunden hat, ist das Prozedere nicht immer ganz einfach.

Cannabis auf Rezept – seit wann gibt es das?

Am 10. März 2017 trat das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften ein. In der Erweiterung erlaubt dieses Gesetz Ärzten, Medizinalcannabis zu verordnen.

Damit reagierte die Bundesregierung auf den Trend, bei starken Schmerzen oder psychischen Problemen zu Cannabis zu greifen.

Ausschlaggebend für die Gesetzesänderungen waren zudem neueste wissenschaftliche Erkenntnisse hinsichtlich der Wirksamkeit von Cannabis bei bestimmten Krankheiten.

Ein weiterer Aspekt der Liberalisierung lag in der Vermeidung von Beschaffungskriminalität, der sich schwerwiegend kranke Cannabis-Konsumenten ausgesetzt sahen.

Seitdem ist es theoretisch möglich, sich Gras auf Kassen- oder Privatrezept verschreiben zu lassen.

Wer kann sich Medizinalcannabis verschreiben lassen?

Das entsprechende Gesetz sieht vor, dass nur ein ganz bestimmter Patientenkreis für die Cannabis-Therapie infrage kommt.

Es müssen schwerwiegende Krankheiten vorliegen und die Ärzte müssen zudem nachweisen können, dass es keine anderen Formen der Medikation gibt beziehungsweise, dass die Therapie mit medizinischem Cannabis die bessere Wahl ist.

Die gesetzliche Definition einer schwerwiegenden Krankheit lautet gemäß §33 Arzneimittel-Richtlinie:

Eine Krankheit gilt als schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder deine Lebensqualität aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Symptome auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt ist.

In der Praxis sind das im Falle von Cannabis Fälle wie:

  • Starke Schmerzen durch chronische Krankheiten oder Krankheiten wie Krebs.
  • Lebensbedrohliche Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust.
  • Schlaflosigkeit als Folge schwerer Krankheiten.
  • Psychische Störungen wie die posttraumatische Belastungsstörung.

Liegt als Ausgangssituation keine schwerwiegende Krankheit vor, liegt die Aussicht auf eine Bewilligung praktisch bei null.

Selbst, wenn du die Voraussetzungen so weit erfüllst, könnte es trotzdem noch schwierig sein, dir Gras auf Kosten der Krankenkasse verordnen zu lassen.

Bisher wurden erfahrungsgemäß und überwiegend nur solche Anträge bewilligt, die sich auf bereits erfolgte Studien stützen konnten. Zwar gibt es immer wieder Ausnahmefälle und neue Studien sowie in mehreren Anläufen erfolgreich durchgesetzte Verfahren, insgesamt ist das Prozedere der ärztlichen Cannabisverordnung noch weit von einer fließenden Normalität entfernt.

Die Beweise zu den Heilung- oder Verbesserungsaussichten zu erbringen, kann im Einzelfall schwer oder unmöglich sein und Behörden weichen immer noch gerne auf die vorherige Therapie mit bekannten Arzneien aus, selbst wenn diese „härter“ sind, als eine Cannabis-Therapie.

Gesetzliche Grundlagen kennen und nutzen

Möchtest du die Verschreibung von medizinischem Gras für dich nutzen, kann es sich lohnen, die gesetzlichen Hintergründe zu kennen – oder du suchst dir einen Arzt, der sich hervorragend damit auskennt.

Es gibt inzwischen Fachliteratur, auf die Ärzte, die eine Bewilligung für ihren Patienten erwirken möchten, zurückgreifen können.

Theoretisch ist jeder niedergelassene Arzt dazu berechtigt, Cannabis in geeigneten Fällen zu verschreiben (Zahn- und Tierärzte ausgenommen).

Ärzte berufen sich neben einschlägigen Studien und Erfahrungswerten in der Regel auf diese Abschnitte aus der Medizinischen Vorsorgeleistung, die du als Laie auch kennen solltest:

• § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V 

• §31 Abs. 1 Satz 4 SGB V 

• §2 Abs. 1a Satz 1 SGB V 

Diese Vorgehensweise mag Patienten hart und unnütz erscheinen, doch hier ist ein gesunder Abstand gefragt. Die Distanz zum Thema Gras und Medizin ist in vielen Köpfen noch enthalten. Das ist sicher nur ein psychologischer Effekt, denn Opiate und andere hochpotente Drogen werden in der Medizin jeden Tag in rauen Mengen verschrieben, ohne mit der Wimper zu zucken.

Dennoch musst du auch Sensibilität gegenüber dem Staat und den Behörden zeigen, die sich bei der Einführung neuer Regelungen zu einer Substanz, die lange eine verbotene Droge war, noch schwertun. Sicher werden die Anträge irgendwann Routine sein. Bis dahin sind Geduld, Pioniergeist und Durchhaltevermögen gefragt.

Medizinalcannabis: Was muss ich selbst bezahlen?

Gras ist auf zwei Weisen verschreibungsfähig:

Auf Kassenrezept

Bist du in der gesetzlichen Krankenkasse, musst du das eben beschriebene Prozedere durchlaufen und nachweisen, dass deine Krankheit schwerwiegend ist und es keine andere, nebenwirkungsärmere Art der Therapie gibt.

Ist die Verordnung einmal genehmigt, bezahlt die Krankenkasse den größten Anteil und du musst pro Rezept 10 € zuzahlen.

Auf Privatrezept

Als Privatpatient wirst du es grundsätzlich einfacher haben. Die Rezepte sind schneller ausgestellt, allerdings gibt es auch hier gewisse Regularien, um dem Missbrauch vorzubeugen.

Die Kosten musst du bei einem Privatrezept selbst tragen beziehungsweise als Privatpatient individuell mit deiner Kasse abstimmen, ob und welche Anteile übernommen werden.

Die Kosten für Medizinalcannabis können zwischen 12 € bis 25 € variieren.

„Gras“ einfach so in der Apotheke abholen?

In Deutschland kümmert sich seit der Einführung der Gesetzesänderung die Cannamedical Pharma GmbH (kurz „Cannamedical“) um die Beschaffung beziehungsweise den Anbau von Medizinalcannabis.

Das im November 2016 eigens zu diesem Zweck gegründete Pharmaunternehmen hat seinen Hauptsitz in Köln.

Hast du deine Bewilligung in der Tasche, gehst du zu einer Apotheke deiner Wahl. Die Apotheke verschickt den ausgefüllten und unterzeichneten Antrag an Cannamedical. Nach der Prüfung auf Vollständigkeit bekommst du deinen Cannabis-Patientenausweis zugeschickt. Mit diesem kannst du dann in der Zukunft in jeder Apotheke dein Medizinalcannabis bestellen und abholen.

Kurioserweise haben Apotheker die Anweisung, jede Grasbestellung durch eine sogenannte organoleptische Identitätsprüfung zu überprüfen. In der Praxis bedeutet dies, dass Apotheker an dem Gras riechen, um sicherzustellen, dass die Arznei nicht mit einem anderen Kraut verwechselt wurde. Wundere dich also nicht, wenn der Apotheker an deinem Gras schnuppert, bevor er es dir aushändigt.

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